Wie viel Bewegung braucht der wachsende Hund?
November 2018
Ein Hundewelpe verbringt die ersten 10-14 Tage hauptsächlich mit Schlafen und Trinken. Seine körperliche Aktivität beschränkt sich auf das Aufsuchen der Zitzen und kriechende Bewegungen von und zu den Wärmequellen. Während den sogenannten paradoxen Schlafphasen, die 95% des Schlafes ausmachen, zeigt er Gesichts-, Ohren- und Beinbewegungen.
Ab der dritten Lebenswoche beginnt der Welpe die Umwelt zu erkunden und sein Bewegungsradius nimmt kontinuierlich zu. Für die normale Entwicklung des Gehirns sind nicht nur die Eindrücke aus der Umwelt sowie die wechselseitigen Beziehungen zu Mutter, Geschwistern und Menschen unerlässlich, sondern auch die Reize durch Bewegung von Muskeln und Gelenken. Je mehr Impulse der Bewegungsapparat im Gehirn auslöst, umso besser wird sich dieses entwickeln.
Mit zunehmendem Alter werden die Bewegungen koordinierter und vielfältiger. Der Welpe bewegt sich bis er müde ist, um dann bis zur nächsten Wach- und Bewegungsphase zu schlafen. Weder der Züchter noch die Hundemutter schränkt den gesunden Bewegungsdrang des Welpen ein.
Wenn nun ein Welpe nach Abgabe an den neuen Halter plötzlich in seiner Aktivität eingeschränkt wird, sich nur noch wenige Minuten pro Mal frei bewegen darf und womöglich sogar Treppen rauf- und runtergetragen wird, widerspricht dies den neuesten Erkenntnissen der Gehirnforschung. Diese hat klare Zusammenhänge zwischen erhöhter körperlicher Bewegung und erhöhter Hirnaktivität aufgezeigt.
Körperliche Aktivität fördert die Gehirndurchblutung, unterstützt die Neubildung und Vernetzung von Nervenzellen und stimuliert den Hirnstoffwechsel. Die körperliche Aktivität ist für die Steuerung der Emotionen sowie für die Gedächtnis- und Lernleistungen auch beim Welpen und Junghund äusserst wichtig. Spielerische Aktivität nach einer Trainingseinheit trägt ausserdem massgeblich dazu bei, die Leistung eines Hundes beim Lernen von neuen Fähigkeiten zu verbessern.
Durch Bewegung werden die verschiedenen Hirnareale für Wahrnehmung, Raumerfahrung, Körperbewusstsein, Koordinationsvermögen und Gleichgewichtssinn angeregt und weiterentwickelt. Bewegung fördert auch den Stoffwechsel und damit die Festigung der Knochen sowie die Entwicklung von Muskeln und Organen. Komplexe Bewegungsabläufe können nur durch wiederholtes Üben erlernt werden.
An der Leine kann der Hund nur im Schritt gehen oder traben. Diese Gangarten beanspruchen den Bewegungsapparat aber nicht genügend. Für eine gesunde körperliche und emotionale Entwicklung benötigt er von Anfang an und täglich Freilauf. Treppensteigen stärkt die Oberschenkelmuskulatur und eine gute Bemuskelung schützt seine Gelenke.
Freies Spielen mit anderen Hunden trainiert Muskulatur und Koordination und fördert die sozialen Kompetenzen sowie Impulskontrolle und Frusttoleranz, was späteren Verhaltensstörungen vorbeugt.
Wichtig ist, dass sich der Welpe nach körperlichen und mentalen Aktivitäten erholen kann und ein bis zwei Stunden schläft. In dieser Zeit entspannt sich der Körper, das Gehirn verarbeitet Erlebtes, trennt Wichtiges von Unwichtigem und festigt Erlerntes. Darum ist es nicht so wichtig, wie lange der Welpe aktiv ist, aber umso wichtiger, dass er sich danach ausreichend erholen kann, bevor der nächste Ausflug ansteht.
Ein achtwöchiger Welpe einer mittelgrossen Rasse ist rund 6 bis 7 Stunden pro Tag aktiv. Diese aktiven Phasen dauern jeweils 30-40 Minuten, zweimal täglich auch bis zu einer Stunde oder mehr. Dazwischen schläft er jeweils 1 bis 2 Stunden. Die Nachtruhe beträgt acht Stunden, sie wird in der Regel durch zweimaliges Versäubern unterbrochen.
Empfehlung
Ein Welpe sollte sich ungehindert bewegen können, bis er müde ist. Ihn dann länger zu beschäftigen oder gar vom Schlafen abzuhalten, ist zu vermeiden. Bei den Ausflügen nach draussen sollten am Anfang keine grossen Distanzen zurückgelegt, sondern Tempo und Distanz dem Welpen angepasst werden. Diese Ausflüge dürfen aber 30-40 Minuten und auch mal eine Stunde dauern. Sportliche Aktivitäten des Halters zusammen mit dem Welpen wie Objekte werfen, Joggen, Radfahren etc. überfordern einen jungen Hund und sind nicht zu empfehlen.
Hingegen sollte der Halter seine Beziehung zum Welpen durch gemeinsames Entdecken der Umwelt fördern. Zusätzlich soll das freie Spielen mit anderen Hunden und Lernen durch Erfahrung durch das Ermöglichen von eigenen Entscheidungen im Vordergrund stehen.
Mit zunehmendem Alter des Hundes können die Dauer der Bewegung und die zurückgelegten Distanzen ausgedehnt werden. Sobald aber der junge Hund signalisiert, dass er müde ist, sollte eine Pause gemacht werden. Überforderung ist wie Unterforderung für seine Entwicklung nachteilig und entsprechend zu vermeiden. Je nach Endgrösse sollten Hunde bis 15 kg ab 5-6 Monaten, Hunde bis 30 kg ab 7-8 Monaten und grössere Hunde ab 9-10 Monaten genügend Muskulatur und Kondition entwickelt haben, dass sie ohne Einschränkung bewegt werden können.
Marianne Furler, Tierärztin, Verhaltensmedizinerin STVV, Tierphysiotherapeutin SVTPT
Literatur
„Auswirkungen von Sport und Bewegung auf die Entwicklung von Kindergartenkindern“ Andreas Frey, Christoph Mengelkamp, 2007
„Bewegung formt das Hirn – Lernrelevante Erkenntnisse der Gehirnforschung“ Laura Walk, 2011
„Hunde in Bewegung“, Martin S. Fischer und Karin E. Lilje, 2011